Strategie

Herausforderungen bei Fabrikprojekten im Ausland

By 23. August 2019 Dezember 10th, 2019 No Comments
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Die Herausforderungen bei Fabrikprojekten im Ausland gegenüber dem Inland wachsen durch andere Rahmenbedingungen. Worin unterscheiden sich die Rahmenbedingungen?

 

Fabrikprojekte unterscheiden sich grundsätzlich durch ihre Komplexität und deren Herausforderungen. Sie sind getrieben durch unterschiedliche Anforderungen aus den verschiedenen Arten von Projekte – siehe Artikel „Arten von Fabrikprojekten – Ihre Unterschiede und Gemeinsamkeiten „. Bei Auslandsprojekten wachsen diese Herausforderungen zusätzlich durch andere Rahmenbedingungen. Worin unterscheiden sich die Rahmenbedingungen im Ausland von denen im Inland? Gibt es bereits landesspezifische Kenntnisse und Erfahrungen durch eine etablierte Landesorganisation des Unternehmens, oder muss diese parallel mit aufgebaut werden?

Sprache

Die Sprache ist das entscheidende Bindeglied der Projektbeteiligten. Selbst wenn alle Projektmitglieder dieselbe Landessprache als Muttersprache sprechen, kommt es vereinzelt zu Kommunikationsproblemen. Das liegt auch in der Natur von unterschiedlichen Disziplinen und deren Fachsprache. Im Ausland potenzieren sich die Kommunikationsprobleme, selbst wenn alle Beteiligten Englisch sprechen. Während die Managementfunktionen in der Regel das Englisch gut beherrschen, sinkt das Niveau deutlich mit den Hierarchien und den lokalen Behörden und Unternehmen. Die zusätzlichen Schnittstellen wie Übersetzer kosten Zeit und Geld. Extrem schwierig gestaltet sich erfahrungsgemäß die Kommunikation, wenn einzelne Projektmitglieder Englisch als Muttersprache sprechen. Ungewollt transportieren sie mit der Muttersprache unausgesprochene Erwartungen, die nicht alle gleichermaßen verstehen. Anders herum traut der eine oder andere sich nichts zu sagen. Das Ergebnis zeigt sich meist verspätet. Eine geeignete Projektorganisation mit verschiedenen Gesprächsrunden und Reporting sollte dies berücksichtigen. Ausprägungen in den verschiedenen Ländern können nicht verallgemeinert werden. Es ist im Wesentlichen abhängig von den Projektbeteiligten.

Kulturen

Noch undurchsichtiger ist der Einfluss der verschiedenen Kulturen im Projektverlauf. Es ist nicht nur das indische Kopfschütteln bei der Zustimmung in Diskussionen und Fehlen eines „Nein“ bei Asiaten, was irritiert. Es sind die vielen unausgesprochenen „Does und Don’ts“ in jedem Land, dessen man sich am jeweiligen Standort bewusst sein muss. Hier helfen zu Beginn Ratgeber und Schulungen, vor allem aber die Bereitschaft sich auf die Eigenheiten des Landes einzulassen. Meine Erfahrung ist jedoch, dass mit wachsender Zusammenarbeit, Vertrauen und dem erkennbaren Willen jedes Teammitglied lernt und sich hier gegenseitig unterstützt.

Recht und Gesetz

Die rechtlichen Rahmenbedingungen wie Grundstück, Bau-, Genehmigungs- und Vertragsrecht und Verfahren sind im EU-Raum denen in Deutschland ähnlich. Projekte außerhalb der EU und in Übersee unterscheiden sich hier in unterschiedlichen Ausprägungen oft deutlich. Während in China eine Zusage für ein Grundstück durch Behörden in Tagen möglich ist, kann es in Indien wegen eines fehlenden Grundbuchs Jahre dauern bis Sie rechtssicher handeln können. Hier hat jedes Land seine eigenen Gesetze, Vorschriften und Verfahren. Ohne rechtzeitige Einbindung von lokalen Experten in Form von Anwaltskanzleien, Immobilienmakler und Gutachtern scheitern solche Projekte.

Technik

Durch die Globalisierung sind in sehr vielen Ländern bekannte Baumaterialien und Techniken auch in Übersee verfügbar, nicht aber immer die Qualifikation der verarbeitenden Bauunternehmen und deren Mitarbeiter. In Leuchtturmprojekten (Hochhäuser, Flughäfen, Brückenbauwerke, etc.) sind alle Technologien verfügbar, für die breite Masse der kleinen und mittleren Industriegebäude gilt dies jedoch nicht immer. Dies hat Einfluss auf Qualität und Kosten. Risiken können durch Vorsorgemaßnahmen in Form von abgestimmten landesspezifischen Spezifikationen für Gebäude und Einrichtungen, Bauüberwachung und Projektorganisation minimiert werden. Das „Einfliegen“ von Material sichert vielleicht Termine, ist jedoch kein Garant für die erwartete Endqualität und schon gar nicht der Kosten. Der kostenintensive Einfluss auf die Technische Gebäudeausstattung und Prozesstechnik durch andere klimatische Rahmenbedingungen ist in manchen Regionen nicht zu vernachlässigen.

Ressourcen

Grundstücke / Gebäude / Infrastruktur

Es muss nicht immer ein Neubau sein. Gerade zu Anfang eines Auslandsengagements auf unbekannten Terrain ist es zielführender in Bestandsobjekten zu starten. Nur wer klare Vorstellungen seiner Anforderungen und Mindeststandards für Technik, Qualität und Kosten hat, kann mit lokalen Experten entsprechende Objekte suchen, finden und bewerten. Der Markt ist von Land zu Land und da wiederum von Region zu Region unterschiedlich. Während in China an der Ostküste oft genügend geeignete Flächen in Industriezonen vorhanden sind, suchen Sie im Ural oft vergeblich nach geeigneten Objekten. Unabhängig von einer Brownfield- oder Greenfield-Option ist auch das Finanzierungsmodell ein wichtiges Entscheidungskriterium. In fast all unseren Projekten wählten die Kunden ein Investoren- oder Mietmodell mit Verlängerungsoptionen und ggf. Vorkaufsrechten. Nur in Fällen einer etablierten Landesgesellschaft und Kapitaltransferlimits wurde das Kauf- oder Eigentumsmodell angewandt.

Lieferanten

Ähnliches wie für geeignete Facilities gilt für die notwendigen Zulieferer. Abhängig von notwendigen Technologien reicht das Angebot von groß bis zum Ausschlusskriterium eines Standortes. Diese Frage ist individuell zu bewerten und gilt nicht für alle Projekte gleichermaßen.

Dienstleister / Experten

Um Risiken zu minimieren, empfiehlt es sich dringend bei allen Vor-Ort-Aktivitäten auch die entsprechenden lokalen Dienstleister einzusetzen, wie Gutachter, Anwaltskanzleien, Immobilienmakler, Architekten, Ingenieure, Investoren, Bauunternehmen. Nur sie kennen die lokalen Rahmenbedingungen, Möglichkeiten, Anbieter, Behörden und Partner und sprechen deren „Sprache“. Internationale Agenturen sichern zwar Mindeststandards, aber letztlich sind es die aktiven Kolleg(inn)en vor Ort, die den Erfolg garantieren. Zu beachten ist auch ein anderes Verständnis von Berufsgruppen. Während der Architekt in Deutschland für das Gesamtobjekt verantwortlich ist, fällt ihm z.B. in China „nur“ die Rolle des Designers zu. Während hier Immobilienmakler den gesamten Verkaufsprozess begleitet, verschwindet er in Indien, wenn er sie mit dem vermeintlichen Eigentümer bekannt gemacht hat. Erfahrungen und Expertisen bei der Auswahl sind oft entscheidend für einen erfolgreichen Projektverlauf.

Mitarbeiter

Entsprechendes gilt auch bei der Auswahl der notwendigen Mitarbeiter vor Ort. Ein cleveres Konzept besteht auch aus der Antwort, ob geeignetes Personal verfügbar ist, wie es rechtzeitig für den späteren Betrieb der Fabrik rekrutiert, ausgebildet und trainiert wird.

Expats

Ohne Expats gelingt kein Ramp-up einer Produktionsstätte. Die Frage ist in welcher Anzahl, mit welcher Qualifikation, wer, wann und wie lange und unter welchen Bedingungen zur Verfügung steht. Wo sie und ggf. deren Familien wohnen und leben, welche Infrastruktur vorhanden ist? Die rechtzeitige Einbindung vor Ort bestimmt in großen Maße den erfolgreichen Ramp-up und den mittelfristigen Ersatz durch lokale Mitarbeiter.

Projektdauer

Auch bei der Projektdauer ist keine pauschale Aussage möglich. Während wegen der hohen Anforderungen, schwierigeren Rahmenbedingungen z.B. Grundstück und auch Entfernungen die Konzeptphase länger dauern kann als ein vergleichbares Inlandsprojekt, kann die Dauer des Gesamtprojektes kürzer sein. Manchmal arbeiten Behörden schneller, in anderen Fällen braucht ein Winter nicht berücksichtigt zu werden. Einmal verhindert ein hoher Grundwasserstand Bauarbeiten, ein andermal kann wegen extremer Temperaturen und Luftfeuchtigkeit über Wochen tagsüber nicht gebaut werden, oder Behörden brauchen Monate für die Abnahme der Produktionsstätte. Es kommt auf den Einzelfall darauf an und kann nur im Rahmen eines umfassenden Konzeptes abgeschätzt werden.

Kosten

Trotz der teilweise großen Aufwendungen für Reisen und Aufenthalte der Expats sind Neubauprojekte im Ausland und insbesondere in Übersee bei vergleichbaren Volumen und bei der Einbindung von lokalen Dienstleistern und Unternehmen meist günstiger. Das bedeutet nicht zwangsläufig eine geringere Qualität der Bauausführung oder reduzierte Standards. Mit einer detailiiert ausgearbeiteten Spezifikation der erwarteten Leistungen, einem guten Bau- und Projektcontrolling Vorort sind auch vergleichbare Ergebnisse bei der Qualität der Facilities zu erzielen.

Fazit:

Fabrikprojekte sind aufgrund ihrer Anforderungen unterschiedlich komplex. Im Ausland kommen bezüglich Sprache, Kultur, Recht und Gesetz, Technik, Ressourcen, Zeitdauer und Kosten noch andere Rahmenbedingungen hinzu. Die Rahmenbedingungen unterscheiden sich über die Länder oft erheblich und sind für jedes Projekt individuell. Sie haben Auswirkungen auf die Auswahl des Standortes, Auswahl von Lösungsoptionen und Planung der Fabrik. Daher ist ein cleveres und individuelles Konzept wichtig und neben anderen Faktoren entscheidend für die erfolgreiche Realisierung.

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